Wimbledon 1991: Stich vs. Becker

Dieses Duell gehört zu den großen deutschen Sportrivalitäten: Michael Stich gegen Boris Becker. In den 80er und 90er-Jahren kämpften beide um die Vorherrschaft in Tennis-Deutschland. Die Fehde gipfelte im Wimbledon Finale 1991. Zum ersten und bis heute einzigen Mal kam es dort zu einem rein-deutschen Endspiel bei einem Grand Slam Turnier. Einen Rückblick auf das legendäre Aufeinandertreffen der beiden schwarz-rot-goldenen Tennis-Giganten gibt es bei Tennis Wetten.

Die Ausgangslage

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Wikimedia, Thomas Steiner (CC BY-SA 3.0)

Michael Stich galt 1991 als nächster großer deutscher Tennisspieler. Zwar hatte er bis Wimbledon „nur“ einen Turniersieg auf der ATP Tour zu Buche stehen, der Durchbruch war aber für viele eine Frage der Zeit. Trotzdem stand Stich im Schatten von Boris Becker. Der Landsmann war bereits Major-Sieger und Weltranglistenleader gewesen. In nahezu jedem Interview wurde der damals 22-jährige zum Verhältnis mit Becker befragt. Stich galt als ewige Nummer zwei hinter dem Superstar.

Boris Becker war der Gegenpart zu Stich. Der Blondschopf galt als extrovertiert und war beim Publikum sehr beliebt. Zudem hatte er vor Wimbledon 1991 bereits fünf Grand Slam Titel errungen. Besonders auf dem Heiligen Rasen war „Bobbele“ der prägende Spieler der 80er. Von 1985 bis 1989 holte der damals 23-jährige drei Titel beim wichtigsten Event des Jahres. Während Stich als potenzieller Star der Zukunft gesehen wurde, war Becker zweifelsohne die Gegenwart.

Saisonverlauf völlig unterschiedlich

Auch die erste Jahreshälfte 1991 schien den Eindruck zu bestätigen: Becker ist für Stich eine Nummer zu groß. Der Elmshorner erwischte einen bescheidenen Start in die Saison. Bis Wimbledon konnte Stich kein einziges Finale erreichen. Damit blieb es auch bei seinem einzigen ATP Titel, den er im Vorjahr in Miami erobert hatte. Stich ging als Nummer sechs der Setzliste ins Turnier.

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Erfolgreicher war die Saison bis dahin für Becker verlaufen. Der Superstar hatte sich erstmals den Titel bei den Australian Open gesichert. In einem packenden Finale setzte sich der Deutsche gegen Ivan Lendl durch. Für Becker war es der erste Major-Erfolg abseits von Wimbledon gewesen.  Nach dem Titelgewinn konnte aber auch der Topstar keine weitere Trophäe gewinnen. Trotzdem galt der Wimbledon-Spezialist im Vorfeld neben Stefan Edberg und Ivan Lendl als Topfavorit. Becker war zu diesem Zeitpunkt hinter dem Schweden die Nummer zwei der Welt.

Der Weg ins Finale

Für Stich war der Weg ins erste Grand Slam Endspiel seiner Karriere ein schwieriger. Auftaktgegner Dan Goldie war noch keine Hürde, gegen die Italiener Nargiso und Camporese gab der Deutsche aber jeweils einen Satz ab. Die härteste Challenge wartete dann überraschend im Achtelfinale. Der ungesetzte Sowjet Alexander Volkov verlangte Stich alles ab, erst im fünften Satz konnte der Favorit den Sack zumachen. Danach folgte ein souveräner Erfolg über Jim Courier. Im Halbfinale wartete mit Edberg die Nummer eins. Nach dem verlorenen ersten Satz bewies Stich unglaubliche Nervenstärke und holte sich die folgenden drei Sets jeweils im Tie-Break. Damit stand der damals 22-jährige endlich im Finale.

Trainer Boris Becker
Wikimedia, Lesekreis (CC0)

Weniger beschwerlich war Beckers Weg ins sechste Wimbledon Finale en suite. Landsmann Charly Steeb und Peter Lundgren waren kein e Hürde. Gegen Andrei Olhovskiy und Christian Bergström erlitt Becker zwar einen Satzverlust, kam aber nie in Bedrängnis. Nach dem Viersatz-Sieg gegen Guy Forget wartete im Halbfinale Überraschungsmann David Wheaton. Becker gab sich keine Blöße und zog souverän ins Finale ein. Dort galt er im Vorfeld als klarer Favorit.

Die Sternstunde des Underdogs

Von Beginn an konnte bei sommerlichen Bedingungen in London der Außenseiter überraschen. Beide fanden gut ins Spiel, Becker gelang es aber nicht, so dominant aufzutreten wie erwartet. Stich ließ sich nicht beeindrucken und hielt stark dagegen. Dem Underdog gelang schließlich ein entscheidendes Break, das Becker nicht mehr kontern konnte. Den ersten Satz holte sich Stich damit überraschend mit 6:4. In dieser ausgeglichenen Tonart ging es weiter, das zweite Set entwickelte sich zum echten Krimi.

Ein offener Schlagabtausch sah das Momentum immer wieder wechseln. Schließlich musste das Tie-Break über den möglicherweise vorentscheidenden zweiten Satz entscheiden. Wieder war das Duell auf Messers Schneide, wieder bewies der „ewige Zweite“ den längeren Atem. 7:4 hieß es am Ende für Stich – sowohl für das Ergebnis, als auch mental ein ganz wichtiger Satzgewinn. Obwohl Becker auch im dritten Set dagegenhielt, hatte sein Kontrahent seine Chance gewittert. Stich ließ sich den Satz mit 6:4 nicht mehr nehmen und durfte somit über den Titel jubeln.

Für Stich blieb es der einzige Grand Slam Erfolg seiner Karriere. 1993 holte er sich immerhin noch den Titel bei den Finals. Auch Becker konnte danach nicht mehr ganz an seine beste Zeit anknüpfen. Auf dem Heiligen Rasen holte er keinen Titel mehr, 1996 siegte er ein letztes Mal bei den Australian Open. Eine gemeinsame Sternstunde gab es 1992: bei Olympia in Barcelona bildeten die Rivalen das deutsche Doppel und sicherten sich die Goldmedaille. Mittlerweile gilt das Verhältnis der erfolgreichsten Spieler der Bundesrepublik als entspannt.